Das Leben schreibt schon komische Geschichten. Und auf so viele Fragen gibt es einfach keine Antworten. Antworten die einem das ganze vielleicht leichter machen würden zu verstehen. Mir geht es zumindest so. Wenn ich die Antwort kenne dann fällt es mir auch leichter zu akzeptieren. Warum bekomme ich ALS? Darauf werde ich wohl nie eine Antwort bekommen. Und die Suche nach einer Antwort habe ich deshalb auch aufgegeben. Aber es ist schon komisch und schmerzhaft, habe ich doch in meinem Leben all die Dinge erreicht, die ich so sehr wollte. Familie, eigene Kinder, toller Job. Und jetzt wo ich alles habe was ich je wollte, wird einem alles genommen. Jetzt hätte ich das Leben einfach nur genießen können, meinen Kindern die Welt zeigen. Aber es hat wohl nicht sollen sein.
Achtung: Keine einfache Kost zu lesen. Ich schreibe zwar vieles sehr ironisch, trotzdem wer Schwierigkeiten mit dem Tod hat, der sollte vielleicht hier jetzt aufhören zu lesen.
Statt mir Gedanken über den nächsten Familienurlaub zu machen beschäftigen mich inzwischen leider oft schwerere Themen. Eines davon ist die Endlichkeit des Lebens. Der Tod. Als gesunder Mensch verschwendet man doch wenige Gedanken daran, zumindest die meisten. Obwohl jedem eigentlich klar ist, dass das Leben immer endlich ist. Nur man macht es sich eben nicht so bewusst. Was wohl gut ist, es lebt sich doch unbeschwerter. Die Gedanken wie man ins Gras beißt sind irgendwie schon erdrückend. Daher gut, dass man es nicht weiß.
Ich habe keine Angst vor dem Tod. Muss jeder durch. Und andere vor mir haben das auch schon geschafft, wäre doch gelacht, wenn ich das nicht auch schaffe. Der Weg dorthin, macht mir jedoch große Angst. Was da noch so alles kommt, wird kein Spaß, weder für mich noch für meine Familie. Umso wichtiger ist es das man erst recht versucht die restliche Zeit so positiv wie möglich zu gestalten. Daran hapert es aktuell aber sehr. Zu stark belastet mich der Verlust meiner Stimme. Ich brauche wohl noch um dieses Tief hinter mir zu lassen. Vielleicht hat noch jemand einen Tipp, wie man es schafft gut gelaunt zu sein, wenn man sich nicht wohl fühlt.
Jeden Morgen dasselbe. Vor langer langer Zeit bin ich morgens gut gelaunt aufgestanden, war mit dem ersten Augenschlag da. Heute bin ich eher der Morgenmuffel. Bis sich alle Verspannungen gelöst haben, und ich ansprechbar bin, dass kann eine ganze Weile dauern. Und bei falschem Handling von Mr. IchwillmeineRuhe kann es schon mal patzige Antworten hageln. Mal Hand aufs Herz, wer steht schon singen auf, wenn man Grippe, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder sonst was hat. Ich fühle mich jeden Morgen so als wäre ein Zug über mich gerollt.
Oft schwelge ich in Erinnerungen, schaue mir Fotos von früher an. Momente, in denen ich glücklich war, und oft ist es so, dass ich dieses Glück dann wieder spüre. Zumindest kann ich auf ein wundervolles Leben zurückblicken. Ich habe bis zu meiner Diagnose ein erfülltes Leben gehabt. Es gibt nichts, dass ich bereue, keine Entscheidung, die ich heute anders treffen würde. Keinen geliebten Menschen habe ich bis zum heutigen Tag verloren. Dazu fällt mir nur eine ein -> verdammt habe ich viel Glück in meinem Leben.
Meinen Kindern wird es da anders gehen. Ich will aber, dass gerade die beiden auch irgendwann auf ein erfülltes Leben zurückblicken können. Dazu brauchen sie wie ich viele schöne Momente. Irgendwie hat mir genau, dass die letzten Tage wieder die Augen geöffnet. Liegt es doch mit an mir, wie meine Töchter diese schwere Zeit in Erinnerung behalten. Die letzten Wochen sind nicht dafür geeignet sich zurück zu erinnern. Ich nehme mir mal vor, dass wieder zu ändern. Lachen kostet bekanntlich nichts, das wäre doch ein guter Anfang. Mich Lachen sehen, macht es meinem Umfeld, nicht nur meinen Kindern leichter. Leichter gesagt als getan, aber wenn nicht für meine Kinder für wen denn dann. Ich werde mir Mühe geben.
ALS ist schwere Kost, was man körperlich durchstehen muss ist die Hölle. Übrigens ein Grund mehr für mich keine Angst vor dem Tod zu haben. Schlimmer wie ein Leben mit ALS kann es in der Hölle nicht sein. Ich mache ja bekanntlich kein Geheimnis daraus, dass ich nicht an Gott glaube. Ich weiß auch nicht, ob es Himmel und Hölle gibt. Aber ich glaube an die Liebe, und steht nicht irgendwo in der Bibel „Gott ist Liebe“?
Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. So sagt es Johannes im 1. Johannesbrief, Kapitel 4, 16.
Puh, dann besteht ja vielleicht doch eine Chance in den Himmel zu kommen. Oder kennt ihr einen Vater, der seine Kinder wegen einem anderen Glauben verstoßen würde? Ok, wenn ich das jetzt so lese, dann gibt es doch manche Väter, die so was machen würden. Meine Kinder jedenfalls dürfen selbst entscheiden an was und an wen sie glauben möchten. Ich werde sie immer Lieben. Hey ihr beiden, egal was kommt, ich werde immer stolz auf euch sein und euch lieben. Bei mir seid ihr immer willkommen. Himmel, Hölle oder sonst wo, für mich heißt es noch bisschen abwarten, was auch gut ist denn noch bin ich gerne hier, wie es dann weitergeht wird sich zeigen.
Die Sorgen und Gedanken bei ALS reichen für mehrere Leben. Keine Ahnung wie ich, und andere Patienten, das jeden Tag ertragen. Aber offensichtlich geht es. Wir sind doch Gewohnheitstiere. Oft zermartere ich mir den Kopf über mein Ableben. Total doof, ich weiß. Nur bin ich immer gerne auf alles vorbereitet, also spiele ich alle Eventualitäten in meinem Kopf durch. Wo und wie variiert dabei immer.
Dabei hat ALS unter bestimmten Umständen sogar Vorteile. Ich habe es ja schon mal geschrieben – Ich habe echt verdammtes Glück. Bei einer invasiven Beatmung darf man selber entscheiden, wie lange man diese will. Warum? Es ist eine Therapie, und Therapien darf man nach deutschem Recht abbrechen, wenn man den will. Und schmerzhaft wird es wohl auch nicht. Hat man mir zumindest gesagt. Ein paar von den richtigen Medikamenten und man spürt nichts mehr. Dann fliegt man wahrscheinlich in die nächste Welt. Ich bin mir jetzt schon sicher, dass wird der Rausch meines Lebens. Vielleicht fliege ich ja um die Wette mit den Einhörnern meiner Kinder.
Vor meiner Diagnose war ich noch frei in meinem Handeln. Mit ALS sind immerhin die Gedanken noch frei, der Rest ist gefangen im eigenen Körper. Aber am Ende bin ich auch wieder frei. Eine Freiheit die ich dann in vollen Zügen genießen werden. Alles in allem denke ich das der Tod bei ALS irgendwann eine Erlösung sein wird. Für mich und auch für meine Angehörigen.
Ich bin jetzt 39 Jahre jung, zu jung zum Sterben. Allerdings wenn man sich mal Gedanken darüber macht wie alt die Welt ist, ca. 4 Milliarden Jahre, dann ist es Wurst, ob ich 100 oder 40 werde. Beides keine nennenswerten Jahre bezogen auf das Alter der Erde. In Deutschland ist die Lebenserwartung bei 80,99 Jahren, dann hätte ich noch ca. 40 Jahre, also irgendwie gar nicht so lang. Was sind schon 40 Jahre. Ich sollte nur langsam Anfangen die paar Jährchen, die ich noch habe, mehr zu genießen. Mich auf die faule Haut legen und chillen. Leider nicht meine Natur, aber was nicht ist kann ja noch werden. Ich hätte ja alles was man dafür braucht. Ein tolles Haus, in dem ich mich wohl fühle, Netflix, Sky, Amazon Prime, Musik, Hörbücher, einen PC, um zu surfen und virtuelle Freunde zu treffen und die ganzen wundervollen Menschen die mich tagtäglich besuchen. Im Mittelalter wäre ich schon ein alter Sack, und könnte froh sein das ich noch lebe. Lag die Lebenserwartung doch nur bei 32 Jahren. Ich kann mich glücklich schätzen, ganze 4 Jahre älter als der Schnitt. Tz, und ich hadere mit meinen 39 Jahren. Irgendwie doch alles eine Frage des Blickwinkels.
Letztlich ist es egal ob gesund oder krank, reich oder arm, böse oder lieb, am Ende macht jeder die Augen zu. Am Ende ist es also egal, denn lebend kommt hier keiner weg.
Bezogen auf das Alter der Erde, muss ich dann gar nicht so lange warten bis ich all die Menschen, die mir etwas bedeuten, wiedersehen werde. Was nicht heißen soll das ich ihnen ein kurzes Leben wünsche. Im Gegenteil. Ich wünsche jedem alles Glück der Welt, viel Liebe, Gesundheit und ein erfülltes langes Leben. Trotzdem freue mich darauf meine Liebsten wieder zu sehen.
An einem Tag werden wir sterben, aber an allen anderen Tagen leben wird. Also dann, für die schönen und positiven Erinnerungen, auch wenn’s schwer wird. NiemALS aufgeben.
Lieber Marco, ich bin tief berührt von deiner Geschichte. Wieviel Mut und Kraft gehört dazu deine Geschichte niederzuschreiben und daraus ein entzückendes Kinderbuch entstehen zu lassen. Deine Familie wirst du damit sehr glücklich machen und alle die aus deiner grossen Herausforderung, der du dich mit Bravour gestellt hast, Kraft und Hoffnung schöpfen für ihren eigen Weg. Die Liebe stirbt zuletzt,das hast du uns aufgezeigt. Alles Gute für dich für die kommende Zeit,lieber Marco. Wir sind in Gedanken bei dir.
Lieber Marco,
Danke das du trotz deiner Schmerzen die Worte findest, die mich zum nachdenken bringen.
Ich umarme dich von ganzen Herzen 🙏
Lieber Marco, danke für diese klaren Worte.
Marco, das ist wunderschön zu lesen, gar nicht beängstigend, sondern nur schön! Wie toll Du das formulierst! Ich danke Dir, dass Du mich dran erinnerst, dass alles relativ ist und wir leben sollten, statt an den zukünftigen Tod zu denken. 🙏🏻🙏🏻🙏🏻❤️❤️❤️
Lieber Marco,
du hast ein besonderes Talent deine Gedanken so nieder zu schreiben, dass du alle Leser damit fesselst. Damit bringst du unbewusst ganz viele dazu, sich auch einmal Gedanken über das eigene Leben zu machen und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
Danke dafür, fühl dich gedrückt.😘
Hey Marco, das ist wieder ein toller aber herzergreifender Blog von dir. Du kannst echt stolz auf dich sein- Wir sind es nämlich… mach weiter so ! Liebe Grüße
Lieber Marco, ich freue mich so, dass du zum Schreiben gekommen bist und ich hoffe sehr, dass es dir Kraft und Motivation bringt. Deine Texte sind eine Bereicherung für jeden Leser und berühren tief.
Lieber Marco, ich finde es gut, dass du deine Gedanken mit uns teilst. Ich denke, niemand kann wirklich nachvollziehen, wie du dich fühlst. Keiner kann sich in einen anderen Menschen voll und ganz hinein versetzen und viele Menschen fragen sich, warum gerade sie ein schweres Leiden ertragen müssen. Da fällt es besonders schwer einen Sinn dahinter zu entdecken. Du schreibst jedoch immer wieder von deiner wunderbaren Familie und von den zahlreichen Freunden, die dein Leben begleiten. Ich wünsche dir noch ganz viel Liebe und Hoffnung….auch auf das was noch kommen mag. Denn auch, wenn du schreibst, du würdest nicht an Gott glauben, kann dieser Satz vielleicht auch dir Kraft und Hoffnung geben.
„Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“